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Foto von Danielle MacInnes

Elvira Hauska moderiert die Gruppe Konfliktmanagement auf HRM.at.

Die Website von Elvira Hauska bietet weiterführende Informationen zum Thema. 


Lesen Sie dazu auch “Professionelles Konfliktmanagement, Teil 2: Unternehmen konfliktfähig machen”.

Der zweite Teil der Serie geht der Frage nach, wie Unternehmen konfliktfähiger werden und Mitarbeiter in die Lage versetzen können, unterschiedliche Sichtweisen und Interessen produktiv zu nutzen. 

Eine Voraussetzung für den Erfolg ist die gute strukturelle Einbindung des Konfliktmanagements in die Organisation. Sind Konfliktanlaufstellen definiert, dann ist es notwendig, diese auch durch geeignete Kommunikationsstrukturen bekannt zu machen. Auch die (teilweise) Einbindung der Konfliktfachkräfte in andere relevante Bereiche, wie zum Beispiel Führungskräftebesprechungen oder Sitzungen im Sinne des Arbeitnehmerschutzes tragen dazu bei, dass Vertrauen zwischen der Belegschaft und jenen entsteht, die im Anlassfall kontaktiert werden können. Ist dieses nicht ausreichend vorhanden oder sehen die Beteiligten keinen Nutzen durch die vorhandenen Strukturen, so kann wenig bewegt werden – auch wenn formale Wege geschaffen wurden. 

Eine Frage, die immer wieder bei der Implementierung von Konfliktmanagementsystemen auftaucht, ist jene, wo diese sinnvoll anzusiedeln ist. Manchmal kommt es im Zuge dieser Überlegungen zu Rivalitäten zwischen Betriebsrat und Personalabteilung. Auch die Organisationspsychologie kann eine solche Stelle sein. Letztlich gibt es keine allgemein gültige Antwort auf diesen Diskussionspunkt. Es hängt von den Menschen ab, die sich des Themas annehmen. Sie müssen den Zugang zu jenen finden, die tatsächlich Konflikte haben, vor allem wenn diese Konflikte existenzgefährdend für die Organisation werden können. Andererseits müssen sie Situationen so einschätzen können, dass sie sich zurücknehmen, wenn sie selbst zu sehr in den Konflikt involviert sind und nicht mehr konstruktiv eingreifen können. Für Personalisten ist eine unabhängige Einbindung in das Konfliktmanagement ausgeschlossen, wenn sie aufgrund von gesetzlichen oder unternehmerischen Vorgaben selbst Partei ergreifen müssen. In wichtigen Fällen dieser Art sollten Unternehmen einen Außenstehenden – zum Beispiel einen Mediator oder Coach – beiziehen.  

Die professionelle Herangehensweise an Konflikte erfordert also mehrere Stufen:

  1. Die Konfliktmanager und die Konfliktparteien sollten Ziele definieren, die sie erreichen wollen. Denn diese helfen dabei, Veränderungsmöglichkeiten zu definieren und deren Erfolg zu überprüfen. 
  2. Die Beteiligten sollten Lernerfahrungen aus den Konflikten bzw. dem Konfliktmanagement für die Organisation ableiten.
  3. Wer Konflikte professionell begleitet sollte Zugänge zu den relevanten Stolpersteinen fördern, aber auch erkennen, wann sie selbst ein zu großer Teil des Problems werden. 

Konflikte treten üblicherweise zwischen Menschen auf. Daher ist der Ansatzpunkt des individuellen Konfliktmanagements die Arbeit mit den Beteiligten und ihren Erwartungen (Abbildung 1). Diese Form des Konfliktmanagements ist besonders verbreitet und wird in den meisten Lehr- und Fachbüchern zu diesem Thema behandelt. Sehr oft verbunden ist damit die Schulung effizienter verbaler Kommunikation, die zweifellos eine sehr wichtige Rolle spielt. Eine Analyse von Konfliktverhalten zeigt jedoch, dass auch andere Überlegungen wichtig sind. So sind Betroffene eines Konflikts üblicherweise schnell geneigt, unangenehme Vorfälle direkt mit anderen Personen in Verbindung zu bringen.  Wenn ein Vorgesetzter beispielsweise eine Arbeit aus organisatorischen Gründen einem anderen Mitarbeiter zuteilt, kann rasch ein Mobbingvorwurf auftauchen, wenn die Führungskraft die Veränderung nicht ausreichend erklärt. Es entstehen Ärger, Kränkungen, manchmal auch Angst. Diese Befindlichkeiten sind vielfach Auslöser für weitere gefühlsmäßig negativ besetzen Handlungen. Das kann weiteren Ärger oder zusätzliche Kränkungen bedeuten, immer wieder spielen dabei Fragen wie „Wer ist daran schuld?“ oder „Was ist eine gerechte Strafe dafür?“ eine große Rolle. Dieses Verhalten ist zwar normal und üblich, führt jedoch dazu, dass sich Konflikte weiter aufschaukeln.  Denn im Folgenden geht es oft nur noch darum, anderen die Schuld an einem Fehler zu beweisen, um dadurch eigene Chancen zu verbessern. „Win-Lose“ ist der Fachausdruck dafür, dass ein anderer verlieren muss, damit ein Gewinn möglich ist. 

Personalisten sind in diesen Phasen besonders gefordert. Denn mit der Zeit kann eine negative „Konfliktkultur“ entstehen, welche die Arbeitsbeziehungen insgesamt verschlechtert. Ein Schlüssel im Umgang mit dieser Konfliktkultur sind die Bedürfnisse der Menschen. Ein hilfreiches Modell dazu bietet der österreichische Psycho- und Lehrtherapeut Imre Márton Reményi, der drei grundsätzliche psychische Bedürfnisse benennt: Selbstbestimmung, Klarheit und Zugehörigkeit. Wird mehr als ein Bedürfnis nachhaltig verletzt, so entsteht Angst und in weitere Folge Panik – die Bandbreite der damit verbundenen Reaktionen reicht von ‚Totstellen‘ bis zu ‚erhöhter Aggression‘.

Nehmen wir das Beispiel eines aussichtsreichen Kandidaten für eine neue Stelle, der bereits längere Zeit für eine Abteilung arbeitet. Da die Beförderung auf sich warten lässt, ist er frustriert und fühlt sich abgelehnt. Er kann sich nicht mehr ausreichend selbst verwirklichen, weil er den Aufstieg als Teil seines beruflichen Werdegangs betrachtet. Das Gefühl der Zughörigkeit zum Unternehmen sinkt, die Klarheit auch. Er läuft Gefahr, dass seine grundlegenden Bedürfnisse längerfristig nicht erfüllt werden. Seine grundsätzlich bestehende Begeisterung für Job und Arbeitgeber wandelt sich in eine vorerst abwartende Haltung und danach in einen deutlich wachsenden Widerstand gegen die ‚Verhinderer‘ seines Fortkommens. Selbstverständlich ist es die primäre Aufgabe der zuständigen Führungskräfte, mit diesen Widersprüchen umzugehen und sinnvolle Alternativen zu finden. Doch auch das Personalwesen ist hier in der Pflicht. HR kann zum Beispiel abklären und Impulse dazu geben, unter welchen Rahmenbedingungen eine weitere Zusammenarbeit funktionieren kann. Gegebenenfalls muss die Personalabteilung aber auch die Auseinandersetzung mit einer möglichen Trennung kritisch begleiten. 

Immer wieder gehen Verantwortliche davon aus, dass sie Probleme aus der Welt schaffen, wenn sie das Personal wechseln. In manchen Fällen führt das zum Erfolg. In jenen Fällen, in denen Konflikte aus unangebrachten strukturellen Rahmenbedingungen stammen, werden sie damit jedoch langfristig nicht glücklich. Um beim oben genannten Beispiel zu bleiben: Wenn mehrere Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, weil sie dort keine Entwicklungschancen sehen, sollte HR hellhörig und aktiv werden. 

Soziologisch betrachtet sind Konflikte soziale Sachverhalte, die auf unterschiedlichen Interessen der Beteiligten beruhen. Das klingt sehr nüchtern und spiegelt kaum das emotionelle Feuerwerk wider, das damit in der Regel verbunden ist. Das zentrale Element sozialer Konflikte ist die Unvereinbarkeit verschiedener Vorstellungen. Diese können im Personalwesen nahezu in allen Bereichen eintreten: bei Neubesetzungen von Stellen, im Zuge von Personalabbau oder auch im laufenden Betrieb, wenn übermäßige Konkurrenz das Klima vergiftet oder unangemessenes Verhalten zunimmt. Personalistinnen und Personalisten sind spätestens dann gefordert, wenn Gerichtsverfahren anstehen, die in den überwiegenden Fällen frustrierte (ehemalige) Beschäftigte einleiten. 

Das Management von Konflikten erfordert, wie jeder systematisierte Zugang, entsprechende Ziele. Diese formulieren die beteiligten Parteien nur selten explizit. Dennoch erfordert eine professionelle Herangehensweise an das Konfliktmanagement auch eine spezifische Zieldefinition, an denen sich geplante Veränderungen orientieren und die einer Überprüfung nach gesetzten Aktionen standhalten. 

Zwei mögliche Beispiele für Ziele sind:

  • Maximiere die Zeit, die Mitarbeiter in sinnvollen Arbeitsbeziehungen verbringen
  • Minimiere die Zeit, die Mitarbeiter in frustrierenden Arbeitsbeziehungen verbringen

Allein die Überlegung, wie viel Zeit Menschen in sinnvollen Arbeitsbeziehungen verbringen, erfordert einiges an Überwindung. Natürlich sind auch andere Ziele möglich, wenn sie eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema fördern und Einsicht darüber verschaffen, wann welche Handlungen zu setzen sind. Der Vorteil der sinnvollen Arbeitsbeziehungen: Sind diese im eigenen Verantwortungsbereich ausreichend gegeben, ist anzunehmen, dass in der Regel der übliche Geschäftsbetrieb auch im grünen Bereich abläuft. Ist dies nicht gegeben, dann lohnt sich ein Blick darauf, welche Verbesserung notwendig ist. Möglichkeiten dazu gibt es auf unterschiedlichen Ebenen. So kann auf der individuell-persönlichen Ebene ein Coaching oder eine Mediation hilfreich sein, auf der strukturellen ist möglicherweise eine kritische Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur erforderlich. Die Einstiegsphase orientiert sich in den meisten Fällen an den beteiligten Menschen. Sie erleben am unmittelbarsten, dass es zumindest in einem Bereich Veränderungsbedarf gibt. Speziell in dieser Phase gilt es, die vorhandene Energie für sinnvolle Neuerungen zu nutzen.

Während die Fachliteratur individuelles Konfliktmanagement intensiv behandelt, sind Ausführungen über strukturelles Konfliktmanagement deutlich seltener. Einer der größten Stolpersteine im Umgang mit betrieblichen Konflikten ist, dass es kaum standardisierte und gleichzeitig akzeptierte Vorgehensweisen dafür gibt. Das hat vielfach den Grund, dass Organisationen Konflikte negieren oder die Einstellung vorherrscht, „Mit Konflikten gehen wir ohnehin vorbildlich um“ – was auch immer damit gemeint ist. Andererseits lässt sich in den letzten Jahren auch beobachten, dass das Bewusstsein für die Bedeutung von Konfliktmanagement wächst. Vor allem größere Unternehmen etablieren zunehmend interne oder externe Konfliktberatungen. Das können Ombudsstellen oder Mobbing- beziehungsweise Gleichbehandlungsbeauftragte sein. Aber auch Arbeitsmediziner, Sicherheitsfachkräfte sowie Arbeits- und Organisationspsychologen übernehmen neben den klassischen Strukturen wie HR und/oder Betriebsrat in manchen Fällen die Funktion von Streitschlichtern. 

In dem Zusammenhang ist besonders wichtig, dass die Handelnden die bestehenden  Konflikte nicht nur als Ärgernis einzelner Menschen betrachten, sondern auch die Lernerfahrung für die Organisation oder das Unternehmen zusätzlich nutzen. Persönliche Konflikte führen zu Verstimmungen – im Extremfall zur Unfähigkeit, weiter zusammenzuarbeiten – in der Belegschaft, mit Kunden oder anderen strategisch wichtigen Partnern. Strukturen sind hingegen an sich emotionslos. Dennoch können Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel widersprüchliche Ziele oder unklare Aufgabenverteilungen, Gefühle bei den betroffenen Menschen hervorrufen. 

Eine bewährte Vorgehensweise dafür ist die mediative Organisationsentwicklung. In dieser Form erfolgen Organisationsänderungen nicht nur anhand von Top-Down-Vorgaben, sondern berücksichtigen die Summe der Einzelprobleme unterschiedlicher Mitarbeiter. So können Konflikte darauf hinweisen, dass sich die Ablauf- oder Aufbauorganisation verändert muss, weil Unternehmenszukäufe das Geschäft verändert haben. Auch Kundenwünsche oder Anliegen sonstiger Stakeholder können Konflikte hervorrufen, die zu Veränderungen führen.