Familienbewusste Personalpolitik ist von zunehmender Bedeutung für Unternehmen, ihre Beschäftigten sowie, auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung, die gesamte Gesellschaft. Die Wissenschaft beschäftigt sich national wie international erst seit relativ kurzer Zeit intensiv mit der betriebswirtschaftlichen Seite dieser Thematik. Es gibt zwar bereits eine Reihe von Einzelfalluntersuchungen, aber die Zahl an darüber hinausgehenden empirischen Studien ist ziemlich gering. Insbesondere liegen noch wenige Aussagen hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Wirkungen familienbewusster Maßnahmen und ihrer Erträge im Verhältnis zu den Kosten vor. Die wichtigsten dieser weiterführenden und einzelfallübergreifenden Studien sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden (für einen umfassenderen Überblick siehe Juncke 2005).

black framed eyeglasses on top of white printing paper
Foto von Sigmund

IW Köln: „Betriebskindergärten sind noch wenig verbreitet“

 

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln verfolgte im Jahr 2003 mit seiner Befragung „Wie familienfreundlich ist die deutsche Wirtschaft“ das Ziel, eine empirische Basis zum Status quo der Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in deutschen Unternehmen zu schaffen. Die Zufallsstichprobe enthielt 10.000 nach Branche und Größe geschichtete Unternehmen, von denen 878 auswertbar antworteten. Die häufigsten Motive für die Einführung von Maßnahmen familienbewusster Personalpolitik sind demnach die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit (76 Prozent), die Rekrutierung und Bindung qualifizierter Mitarbeiter (75 Prozent) sowie Kosteneinsparungen durch geringere Fluktuation und Krankenstand (64 Prozent). Hinderungsgründe sind vor allem, dass auf Seiten des Betriebs oder auch der Mitarbeiter kein entsprechender Bedarf gesehen wird. Die flexible Gestaltung der Arbeitszeit ist mit 58 Prozent die am weitesten verbreitete Maßnahme, wohingegen die Einrichtung von Betreuungsmöglichkeiten für Kinder mit knapp zwei Prozent eindeutig eine untergeordnete Rolle spielt.

IfM bestätigt: „Familienfreundlichkeit ist meist Frauensache“

 

Bestätigt werden diese Ergebnisse von der Studie „Familienfreundlichkeit im Mittelstand: Betriebliche Strategien zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ des Instituts für Mittelstandsforschung. Auf Grundlage einer Befragung von 759 kleinen und mittelständischen Unternehmen kommt dessen Studie zu dem Schluss, dass Maßnahmen zur familienfreundlichen Gestaltung von Arbeitszeiten am stärksten vertreten sind (51 Prozent), gefolgt von familienfreundlichen Urlaubsregelungen (42 Prozent). In Unternehmen ohne weibliche Mitarbeiter, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung, sind familienfreundliche Regelungen tendenziell seltener zu finden.

Erwartungen an den Betrieb ohne Gegenleistung

 

Die Mitarbeiterperspektive wurde mittels einer Telefonbefragung von 2.000 Arbeitnehmern mit Kindern oder Pflegeaufgaben in der Studie „Erwartungen an einen familienfreundlichen Betrieb“ des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts aus dem Jahr 2004 untersucht. Die Fragen zielen auf die Wünsche und Erwartungen an einen familienfreundlichen Betrieb ab, ohne dass mögliche Gegenleistungen der Arbeitnehmer erfasst werden, beispielsweise in Form von Lohnverzicht (siehe dazu Heywood, Siebert, Wei 2005, gemäß denen in Großbritannien familienfreundliche Maßnahmen einen Lohnverzicht von bis zu 20 Prozent recht-fertigen würden). Deshalb trägt die Studie in erster Linie dazu bei, Handlungsfelder und Prioritäten aufzudecken, und kann bei der Schwerpunktsetzung familienbewusster Maßnahmen hilfreich sein.

Obwohl von den Befragten mehrheitlich angegeben wird, dass der beschäftigende Betrieb insgesamt familienfreundliche Arbeitsbedingungen hat, werden auch Bereiche mit großem Handlungsbedarf angeführt. Mit 32 Prozent der Nennungen gibt es hinsichtlich familienfreundlicher Arbeitszeiten den größten Handlungsbedarf, gefolgt von finanziellen Unterstützungen (18 Prozent) und Freistellungsmöglichkeiten für Pflegeaufgaben (15 Prozent). Arbeitnehmer in Elternzeit wünschen sich größtenteils Informationen über das betriebliche Geschehen (82 Prozent), die Kombination von Elternzeit und Teilzeit (78 Prozent) sowie Angebote zur Weiterbildung (74 Prozent). Für Kinder betreuende Mitarbeiter stehen Möglichkeiten der Notfallbetreuung (83 Prozent), Geldleistungen wie finanzielle Zuschläge für Kinder oder Einmalzahlungen (79 Prozent) sowie die Vermittlung oder Organisation von Betreuungsplätzen (65 Prozent) auf dem Wunschzettel relativ weit oben. Pflegende Arbeitnehmer erwarten für ihre Aufgaben neben dem Beruf in erster Linie arbeitsfreie Zeit; 89 Prozent halten betrieblich bezahlten Sonderurlaub für Kurzzeitpflege, 82 Prozent eine Freistellung für Pflegeaufgaben für wichtig.

Weniger Fehltage, mehr Effizienz

 

Die bisher vorgestellten Studien sind im Wesentlichen deskriptiv und erlauben keinen Rückschluss auf betriebswirtschaftliche Wirkungen familienbewusster Maßnahmen. Dazu gibt es einige Studien aus dem angelsächsischen Raum, deren Ergebnisse zumindest der Tendenz nach auch auf Deutschland übertragbar sein dürften. Dex und Scheibl (1999, 2001) analysieren den Beitrag familienbewusster Personalpolitik auf den Unternehmenserfolg US-amerikanischer und britischer Firmen. Um Aussagen über potenzielle Kosten und Erträge familienbewusster Personalpolitik treffen zu können, werden Fallstudien in einer Metaanalyse ausgewertet, die Aussagen über verschiedene Outputkenngrößen vor und nach der betrieblichen Umsetzung familienbewusster Maßnahmen erlaubt.

Positive Effekte familienbewusster Personalpolitik ergeben sich demnach durch weniger Abwesenheits- und Krankheitstage, leichtere Wiederbesetzungen, höhere Produktivität und wahrscheinlicheres Erfüllen des Geschäftsplans. Ferner tragen familienbewusste Maßnahmen zum Halten qualifizierter Mitarbeiter bei. Der Verlust qualifizierter Mitarbeiter führt zu direkten (Stellenausschreibung, Bewerbungsgespräche) und indirekten (durch den Verlust von firmenspezifischem Humankapital) Kosten. Diesen positiven Auswirkungen stehen die - unter Umständen prohibitiv hohen - Kosten gegenüber, die solche Maßnahmen verursachen. Um solche Kosten zu reduzieren, verfolgen kleine und mittelständische Unternehmen unterschiedliche Strategien. Etliche Betriebe passen ihr familienfreundliches Angebot einzelfallbezogen an und bieten nicht jedem alles an. Andere Betriebe erwarten von ihren Mitarbeitern, dass sie die empfangenen Leistungen zu einem späteren Zeitpunkt zurückzahlen.

Erhöhung des Börsenwerts

 

Während auch diese Ergebnisse nur qualitative Evidenz für die Vorteilhaftigkeit familienbewusster Personalpolitik liefern, analysieren Arthur und Cook (2004) quantitativ, wie die Ankündigung der Einführung familienbewusster Maßnahmen den Börsenwert von Aktiengesellschaften beeinflusst. Auf Basis von 1.153 Unternehmen, die zwischen 1971 und 1996 zu den Fortune 500 zählten, kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass Entscheidungen für familienbewusste Maßnahmen den Börsenwert signifikant erhöhen mit einer abnormalen Rendite von bis zu 0,32 Prozent. Aktionäre als Eigentümer profitieren also eindeutig von der Ankündigung solcher Maßnahmen und der Kapitalmarkt erwartet nachfolgende Verbesserungen der Unternehmenssituation.

Prognos: Kapitalrendite bis 25 Prozent

 

Die bekannteste deutsche Studie zur familienbewussten Personalpolitik wurde im Jahr 2003 von der Prognos AG durchgeführt. Grundlage der Modellrechnung „Betriebswirtschaftliche Effekte familienfreundlicher Maßnahmen“ bilden Daten aus dem betrieblichen Personalcontrolling von zehn Unternehmen.

Untersucht werden einerseits die Kosten familienfreundlicher Maßnahmen und andererseits die sich aus ihnen ergebenden Einsparpotenziale. Letztere werden über quantitative Kennzahlen, wie die durchschnittliche Verweildauer in Erziehungsurlaub oder die Fluktuationsquote, bei den Personalverantwortlichen erfragt. Die Kosten wurden den aus ihnen resultierenden Wirkungen, insbesondere der Ersparnis bei Personal(wieder)beschaffung, Überbrückung, Wiedereingliederung und Fehlzeiten gegenübergestellt. Auf Grundlage der ermittelten Kostengrößen und Einsparpotenzialen wird eine Modellrechnung für eine fiktive Familien GmbH zu den Erträgen familienfreundlicher Maßnahmen erstellt. Ein Basisszenario einer Familien GmbH ohne Maßnahmen zur Familienfreundlichkeit dient als Vergleich.

Im Realszenario entspricht der Einsparumfang dem der den Modellrechnungen zu Grunde liegenden Unternehmen. Im Optimalszenario werden die rechnerisch maximal realisierbaren Einsparungen dargestellt. Je nach betrachteter Kostenart werden im Realszenario Kostensenkungen von 13 Prozent bei den Überbrückungskosten und bis zu 33 Prozent bei den Wiedereingliederungskosten ermittelt. Im Optimal szenario liegen diese Kostensenkungen bei 21 Prozent bei den Überbrückungskosten und 68 Prozent bei den Wiedereingliederungskosten. Werden die Kosten einer unzureichenden Vereinbarkeit von Beruf und Familie insgesamt betrachtet, so können sie in der Familien GmbH um 55 Prozent im Realszenario und um 78 Prozent im Optimalszenario gesenkt werden. Für die im Realszenario vorgenommenen Investitionen ermittelt die Studie eine Kapitalrendite in Höhe von 25 Prozent. Die ermittelten Einsparpotenziale und insbesondere ein Return on Investment von 25 Prozent sind groß. Jedoch stehen die Ergebnisse auf einer nicht unbedingt sehr tragfähigen empirischen Basis. Die Fallzahl ist mit zehn ziemlich klein, die kalkulierten Kosten sind oft grobe Schätzungen, branchen- und größenspezifische Effekte fehlen. Die Ergebnisse könnten gar familienunfreundlich interpretiert werden, da eine andere Belegschaftsstruktur sowohl Kosten für familienbewusste Maßnahmen als auch dadurch zu reduzierende Kosten für Wiedereingliederung und ähnliches sparen dürfte. Der ganz unbestreitbare Verdienst der Prognos-Studie liegt allerdings darin, als erste Studie die Kosten und Erträge familienbewusster Maßnahmen für deutsche Unternehmen systematisch erfasst und quantifiziert zu haben. Unabhängig von den genauen Zahlenwerten kommen schließlich alle Studien zu diesem Thema zu dem Schluss, dass familienbewusste Personalpolitik betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. In der Praxis dürfte es daher vor allem auf die sorgfältige Auswahl im konkreten Einzelfall passender Maßnahmen ankommen.