Die Zeiten, in denen der Postbote wäschekörbeweise Bewerbungen in den Personalabteilungen ablieferte, sind vorbei. Der Arbeitsmarkt hat sich infolge demografischer Faktoren in vielen Sektoren gedreht. Insbesondere in den Branchen, in denen der Fachkräftemangel grassiert, sucht sich nicht mehr der Arbeitgeber seinen Angestellten aus, sondern der Bewerber seinen Arbeitgeber. 

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Foto von Sergey Zolkin

Laut einer Erhebung des Beratungshauses Ernst und Young (EY) haben derzeit drei Viertel der österreichischen Unternehmer Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeiter zu finden. Gleichzeitig wollen 29 Prozent in den kommenden sechs Monaten zusätzliche Stellen schaffen.

Personaler, die auf der Suche nach Lehrlingen sind, müssen sich also etwas einfallen lassen, wollen sie beim einzelnen Talent punkten Doch eben das ist gerüchteweise nicht so leicht. Die Klischees halten sich jedenfalls hartnäckig, dass insbesondere die stark nachgefragten Potenzialträger der Generationen Y und Z bei der Auswahl ihres künftigen Brötchengebers erheblich kritischer vorgehen als noch die Babyboomer oder die Generation X vor ihnen.

Wie tickt der Nachwuchs wirklich?

Den so genannten Millennials wird zum Beispiel nachgesagt, dass für sie die Balance zwischen Arbeit und Privatleben eine höhere Priorität hat als ein gutes Gehalt. Als Arbeitnehmer sollen sie anspruchsvoll und als Konsumenten verwöhnt sein. Auch viele in sich widersprüchliche Vorurteile beherrschen das Bild der Generationen Y und Z: Wahlweise werden die Talente als zu ehrgeizig, zu faul, zu zurückhaltend oder zu selbstbewusst beschrieben.

Die Studie „Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Generation Y finden, fördern und binden“ der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) aus dem Jahr 2011 beschrieb dieses inkonsistente Bild wie folgt: „In Kombination mit den Beobachtungen und Untersuchungen von Wissenschaftlern und Spezialisten ergibt sich das folgende ebenso klare wie widersprüchliche Bild: Die Generation Y tritt sehr selbstbewusst auf, zeigt sich orientierungslos und sprunghaft, sucht nach Sicherheit und Stabilität, strebt nach Leistung, Sinn und Spaß im Arbeitsleben (und) wünscht sich Flexibilität in Raum und Zeit, fordert stetige Entwicklung und klare Kommunikation.“

Dass der Eindruck von der Generation Y in der Zwischenzeit nicht konsistenter geworden ist, belegt die kürzlich erschienene, repräsentative Studie „World of Work 2016“, die in Kooperation mit dem Karriereportal Monster und YouGov, einem internationalen Markt- und Meinungsforschungsinstitut aus Großbritannien, entstanden ist. Sie hinterfragt: Welche der Klischees sind wahr? Und: Welchen Faktoren müssen wir im Recruiting tatsächlich Rechnung tragen? Die Erhebung bestätigte: Eine gestiegene Erwartungshaltung gegenüber potenziellen Arbeitgebern ist dem Nachwuchs in der Tat nicht abzusprechen. 

Fragt man Millennials zwischen 18 und 36 Jahren zum Beispiel, wie zuversichtlich sie sind, mit ihren aktuellen Fähigkeiten einen neuen Job zu finden, antworten sie vergleichsweise selbstbewusst. Etwa acht von zehn Teilnehmern (78 Prozent) sind mit Blick auf die eigenen Qualifikationen zuversichtlich oder sogar sehr zuversichtlich, schnell in Lohn und Brot zu stehen. Auch wenn sie morgen ihren Job verlieren würden, rechnen 72 Prozent der Befragten damit, schnell wieder eine neue Arbeitsstelle zu finden.

„Millennials ziehen Kraft aus dem Glauben an ihre Fähigkeiten, sehen große Möglichkeiten für sich selbst und nutzen neueste Entwicklungen, wie zum Beispiel neue digitale Technologien, um im Job weiterzukommen“, sagt Thomas Zahay, Senior Director Human Resources CE bei der Monster Worldwide Deutschland GmbH. Der Umkehrschluss: Unternehmen, die diese Zielgruppe im Recruiting für sich begeistern wollen, müssen ihnen im Zuge ihres Personalmarketings die Dinge bieten, an die sie gewöhnt sind und die ihnen lieb und teuer sind. In diesem Zusammenhang bringen viele Unternehmen ihre Employer-Branding-Aktivitäten auf Vordermann und entdecken hier verstärkt das Azubi-Video für sich.

Authentisches Bild vermitteln

Hier liegt ein fundamentales Missverständnis zwischen Arbeitgebern und Bewerbern vor. Angehende Lehrlinge erwarten von Arbeitgebern keine Szenen mit Feuerinferno, ölverschmierter Haut oder lasziven Gesten, wie es ein deutscher Handwerkerverband für richtig hielt. Sie wollen Informationen. Dazu gehören laut der Studie „Recruiting Trends“ aus Bamberg zum Beispiel eine Beschreibung des Arbeitsgebietes, der Aufgaben und der Beschaffenheit der Stelle sowie Aussagen über berufliche Projekte, Klima und Arbeitsumfeld.

In diesem Sinne hat zum Beispiel der Versicherer LVM vieles richtig gemacht. In einem Dreiminüter erzählen Auszubildende im lichtdurchfluteten und modern gestalteten Firmenambiente, wie die Ausbildung aufgebaut ist, welche Inhalte zur Sprache kommen, dass im Unternehmen Wert auf eine freundliche Kultur gelegt wird, in der jeder jeden grüßt und die Hierarchien flach sind.

Auch Informationen über flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten, kommen nicht zu kurz. Und mal ehrlich: Wer in seinem Lehrlingsvideo wie die LVM lachende Gesichter zeigt, auf einen dynamischen Schnitt, flott erzählte Inhalte, gute Musik und abwechslungsreiche Aufnahmen setzt, ist weit entfernt von staubtrocken und schafft es dennoch, positiv auf sein Arbeitgeberimage einzuzahlen. „Azubi-Videos erfüllen im Wesentlichen zwei Funktionen: Die Filme zeigen, welche Aufgaben auf die Berufseinsteiger warten. Außerdem können Wohlfühlfaktoren glaubhaft thematisiert werden“, sagt Sascha Baron. Der Videojournalist hat sich mit seinem Unternehmen Dreilandmedien auf die Produktion von Arbeitgebervideos für unterschiedliche Zielgruppen spezialisiert.

„Gerade für die junge Zielgruppe werden Wohlfühlfaktoren wie Arbeitsklima oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer wichtiger. Um diese Themen glaubhaft zu thematisieren, lassen wir Azubis und Mitarbeiter in unseren Filmen im O-Ton zu Wort kommen. Da wird nichts in den Mund gelegt oder inszeniert. Wenn dann Lehrlinge mit leuchtenden Augen erzählen, ist das die beste Werbung für den Arbeitgeber.“

Solche Erfahrungsberichte anderer Lehrlinge stehen insbesondere bei Jobanfängern hoch im Kurs. Denn auf diese Weise gelingt eine persönliche Ansprache auf Augenhöhe. Diese wäre zum Beispiel nicht gegeben, wenn ausschließlich der Chef von oben herab den Tagesablauf eines Azubis schildern würde. Da wirkt der junge Kollege aus dem zweiten Lehrjahr, der seine Erfahrungen selbst schildert, erheblich glaubwürdiger. 

„Videos müssen authentisch sein, dürfen aber auch nicht langweilig oder beliebig werden.“, sagt Arbeitgeber-Spezialist Baron. „Entscheidend ist, was aus dem Filmmaterial geschnitten wird. Der Mix aus O-Tönen, Musik und Bildern muss zum Unternehmen und zur Zielgruppe passen.“ Authentizität spielt im Recruiting eine entscheidende Rolle. „Nur wenn Unternehmen sich so darstellen, wie sie wirklich sind, werden sie passende Mitarbeiter finden“, sagt Baron. „Beim Thema Video haben viele Unternehmen noch den klassischen Imagefilm im Kopf. Diese Art von Werbefilmen ist völlig ungeeignet, um sich als attraktiver Arbeitgeber darzustellen. Recruiting- und Arbeitgeberfilme müssen journalistische Beitragsformen nutzen wie Interview, Reportage oder Dokumentation. Nur wenn die Arbeitswelt möglichst realistisch gezeigt wird, gelingt ein passendes Matching.“


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Quelle: personal manager – Zeitschrift für Human Resources | Ausgabe 2 März/ April 2017

Was spricht für Lehrlingsvideos?

Die Idee, angehende Lehrlinge per Bewegtbild für sich zu begeistern, ist definitiv nicht verkehrt: Insbesondere die Generationen Y und Z sind mit dem mobil verfügbaren Internet, Smartphones und Tablets groß geworden. Kommunikation findet für sie ganz selbstverständlich über Chats, Social Media, Bilder und selbstgedrehte Videos statt.

Der Gedanke liegt also nahe, dass ein speziell für Lehrlinge produziertes Video unter den social-media-affinen und teilungsfreudigen Jobanwärtern den Weg zum Traumkandidaten schneller ebnen könnte als die herkömmliche Stellenanzeige. Auch Statistiken scheinen das zu belegen. Der Forschungsverbund Südwest (mpfs), der für die JIM-Studie jährlich repräsentative Basisdaten zur Mediennutzung Jugendlicher erhebt, hat zum Beispiel herausgefunden, dass Jugendliche nach eigener Einschätzung an einem durchschnittlichen Wochentag rund 208 Minuten online sind. In der Zielgruppe der 18- bis 19-Jährigen liegt dieser Wert sogar bei 260 Minuten. Das entspricht zwischen dreieinhalb bis viereinhalb Stunden, in denen Arbeitgeber online mit potenziellen Kandidaten in Kontakt treten können. Pro Tag!

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt das Statistikportal Statista. Insgesamt surfen in Österreich 83 Prozent der Bevölkerung regelmäßig im Internet. Knapp die Hälfte davon nutzen regelmäßig soziale Netzwerke wie Facebook, YouTube, Google+, Twitter oder Instagram.

Facebook ist nach wie vor mit einem Marktanteil von 84 Prozent das meistgenutzte Social-Media-Portal. Von rund 8,7 Millionen Österreichern sind 3,4 Millionen auf Facebook aktiv. Rund die Hälfte der heimischen Facebook- User nutzen die Plattform mehrmals täglich. Bei Jugendlichen steht die Messenger- App WhatsApp noch vor YouTube hoch im Kurs. YouTube ist bei weiblichen Jugendlichen etwas beliebter als bei männlichen.

Beste Chancen also für die Verbreitung von Azubivideos über die entsprechenden Kanäle. Schließlich sind die Kurzfilme der ideale „Content“ für soziale Medien und somit ist die Wahrscheinlichkeit, junge Leute über Facebook, Twitter, YouTube und Co. zu erreichen unvergleichbar hoch. Gefällt das Filmchen, verbreitet es sich rasend schnell über sämtliche soziale Kanäle. Der Viralhit ist perfekt und die Reichweite unvergleichlich hoch. Soweit jedenfalls die Theorie. Die praktische Voraussetzung, dass das gelingt, ist allerdings, dass ein Arbeitgeber potenzielle Auszubildende mit der richtigen Botschaft und den richtigen Aufnahmen erreicht. 

Was kann schiefgehen?

Beides ging in der Vergangenheit bei der Produktion von Lehrlingsvideos leider allzu oft schief. Was mussten sich die Teenies in der Folge nicht alles schon ansehen: Unscharfe, verwackelte Bilder, O Töne, in denen die Hintergrundgeräusche lauter waren als die Sprechenden, gähnend langweiliger Fahrstuhlsound als Unterlegmusik oder Chefs, die ein gutes Employer Branding in der Art eines Teleshopping-Verkäufers mit übertriebenem In-die-Kamera-Brüllen und Anpreisen gleichsetzten.

Und dann gab es da noch die verzweifelt auf witzig getrimmten Lehrlingsraps oder die auf Hochglanz polierten Clips. Doch ein aufwendiger Schnitt, gute Beleuchtung, donnernder Sound und ein guter Ton machen nicht wett, dass es inhaltlich ruckelt und poltert, oder – noch schlimmer – dass überhaupt kein Inhalt vorhanden ist. So versuchte etwa ein Elektronikkonzern in Österreich beim Fachkräftenachwuchs zu punkten, indem er angebliche Lehrlinge in einem Gruselszenario mit Zombies zeigte. 

Die Aussage des Clips suchte der Zuschauer indes vergebens. Weder kamen Arbeitsinhalte zur Sprache, noch Arbeitsbedingungen, geschweige denn wurde die Frage beantwortet, was den Bewerber im Betrieb erwartet oder wie sein Arbeitsalltag aussieht. Einzige Aussage: „Schau her. Wir sind sowas von cool.“ Der Schuss ging nach hinten los. Das Filmchen schaffte es zwar zum Viralhit, doch bestimmt nicht, weil es bei der Zielgruppe so gut ankam. Stattdessen erntete es Spott und Hohn in Azubi- und Experten-Kreisen. Ziel verfehlt.

Laut der Studie „Recruiting Trends 2016“ der Universität Bamberg haben Arbeitgeber zwar durchaus erkannt, dass sich die modernen Mittel der Kommunikation positiv auf das Recruiting auswirken. Insbesondere dann, wenn es darum geht, junge Auszubildende für sich zu begeistern. Immerhin bewerten sieben von zehn Unternehmen den Einsatz von Social Media im Recruiting als positiv – das sind stattliche 21 Prozent mehr als noch im Jahr 2012.

Allerdings ist vielen Unternehmen nicht klar, wie sie dieses Wissen in die Tat umsetzen sollen. Fest steht: Damit eine Social-Recruiting- Strategie aufgeht, müssen die geteilten Inhalte, zu denen auch Azubi-Videos gehören, die Erwartungen der Zielgruppe erfüllen. Doch aus Angst, dass das Video staubtrocken wirken könnte, wenn es „nur“ den Firmenalltag widerspiegelt, greift mancher Betrieb zu einem Szenario, das fernab jeder Wirklichkeit ist, und kommuniziert damit geradewegs an der Zielgruppe vorbei.