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Foto von Sarah Shaffer
Durch die 2001 eingeführten Verbesserungen bei der Betriebsrente (Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltumwandlung, Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit von Vorsorgebeiträgen) soll der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft mit einer betrieblichen Altersversorgung laut einer Infratest-Studie bis zum Jahr 2003 bereits von 35 Prozent auf 42 Prozent gestiegen sein. Doch sind diese Aussagen mit Vorsicht zu genießen: Der Anstieg vollzog sich bisher vorwiegend in Großbetrieben, während er bei mittelgroßen und speziell bei Kleinstunternehmen noch deutlich unterproportional verlaufen ist. In den neuen Bundesländern ist der Verbreitungsgrad der Betriebsrente nur etwa halb so hoch wie in den alten Bundesländern. Die Gründe liegen in Informationsdefiziten über die komplexen arbeits- und steuerrechtlichen Regelungen und in einer diffusen Furcht vor zu hohen Verwaltungskosten. Doch zukunftsorientierten Unternehmen muss klar sein, dass sich eine betriebliche Versorgung nicht nur für den Arbeitnehmer, sondern auch für den Arbeitgeber rechnet. In dem Maße, in dem sich das Unternehmen um einen so zentralen Lebensbereich wie die finanzielle Absicherung des Ruhestands kümmert, profitiert es von einer positiven Einstellung der Mitarbeiter gegenüber dem Unternehmen. Durch Bereitstellung attraktiver Entgeltumwandlungsangebote kann der Arbeitgeber ohne zusätzliche Erhöhung der Personalkosten den Beschäftigten einen höheren Vergütungsnutzen als durch einen vergleichbaren Barlohn bieten. Eine ergänzende arbeitgeberfinanzierte Komponente verbessert auch die Wettbewerbsposition um hoch qualifizierte Fach- und Führungskräfte, die am Arbeitsmarkt der Zukunft rar werden.

Mit ihrer starken tarifpolitischen Einbindung stellt die Betriebsrente den Motor für eine flächendeckende Ausbreitung der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge dar. Im Wege der Tarifautonomie wird Arbeitgebern und Gewerkschaften eine flexible Gestaltung der betrieblichen Vorsorge ermöglicht. So wurde bis Ende 2004 bereits für 20 Millionen Arbeitnehmer durch eine entsprechende Tarifvertragsgestaltung die Möglichkeit zur Entgeltumwandlung geschaffen. Allerdings führte die Ausweitung des Angebots noch nicht zu einer tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Arbeitnehmer. Die Teilnahmequoten liegen erfahrungsgemäß zwischen 30 Prozent und 80 Prozent.
 
Matching-Stufen, Opting-out-Modelle oder Zwangsversicherung
Die Beratungspraxis zeigt, dass die Zuwachsraten für eine freiwillige Entgeltumwandlung in den Branchen besonders hoch sind, in denen die Tarifverträge auch eine finanzielle Beteiligung der Arbeitgeber vorsehen. Offensichtlich gibt der originäre Arbeitgeberbeitrag in ein Versorgungswerk den entscheidenden Impuls für eine Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer. Aus diesem Grund bieten immer mehr Unternehmen auch freiwillig so genannte „Matching-Stufen“ an, bei denen der Arbeitgeber die an der Entgeltumwandlung teilnehmenden Mitarbeiter mit einem zusätzlichen Beitrag in das Versorgungswerk unterstützt. Erfahrungen aus den USA im Zusammenhang mit „401k-Plänen“ belegen, dass die Teilnahmebereitschaft auch durch eine automatische Einbeziehung der Arbeitnehmer in die betriebliche Altersvorsorge mit gleichzeitigem Kündigungsrecht merklich ansteigt. Eine betriebliche „Opting-out-Lösung“ kann die persönliche Trägheit der Mitarbeiter, eine aktive Entscheidung zu treffen, positiv zur weiteren Verbreitung kapitalgedeckter Zusatzvorsorge nutzen: Die Mitarbeiter nehmen, solange sie nicht explizit widersprechen, routinemäßig an der Entgeltumwandlung teil.
Die Bundesregierung ist verpflichtet, noch in diesem Jahr zu überprüfen, ob die bisher freiwillige Entgeltumwandlung obligatorisch gemacht werden soll. Ein Obligatorium als per Gesetz eingeführte Pflichtversicherung, wie sie beispielsweise in Dänemark und in der Schweiz zu finden ist, kann nur das letzte Mittel sein, um die kapitalgedeckte betriebliche Vorsorge zu stärken. Im Gegenteil liegt hier die Gefahr zusätzlicher Bürokratisierung und mangelnder Abstimmung auf die betrieblichen Erfordernisse. Ein Obligatorium hätte weit reichende Regulierungen bei der staatlichen Aufsicht und zu Haftungsfragen zur Folge, was zweifellos den Interessen der Arbeitgeber zuwiderlaufen würde. Die aus der Freiwilligkeit der Betriebsrente resultierenden Freiheiten bei der Versorgungsplangestaltung und der Kapitalanlage würden durch ein Obligatorium deutlich eingeengt werden, die bestehenden Kosten- und Effizienzvorteile betrieblicher Versorgungssysteme deutlich gemindert werden.

Es kommt daher in den nächsten Monaten entscheidend darauf an, die Belegschaft zur Entgeltumwandlung zu motivieren. Klare und zielgruppengerechte Leistungspläne sind ebenso notwendig wie ein integriertes Kommunikationskonzept. Schon lange bevor eine Broschüre die neue Altersversorgung in allen Einzelheiten erläutert, sollte in Mitarbeiterzeitschriften, im Intranet oder über Rundschreiben auf die Notwendigkeit einer betrieblichen Zusatzvorsorge hingewiesen werden. Plakate oder Aufsteller können die zentrale Botschaft permanent in Erinnerung rufen. Durch Schulungen von Betriebsräten und Personalern können bestehende Informationsdefizite abgebaut werden. Hilfsmittel zur individuellen Bedarfsanalyse (zum Beispiel in Form eines Versorgungslückenrechners im hauseigenen Intranet) machen die Notwendigkeit der Alterssicherung im Einzelfall transparent. Nach Einführung der Betriebsrente gilt: „Tue Gutes und rede darüber.“ Die Mitarbeiter sollten regelmäßig schriftlich über ihre individuellen Ansprüche informiert werden.

Risikobegrenzung für Unternehmen
Der Risikobegrenzung und der Begrenzung des Verwaltungsaufwands kommt bei der Einrichtung einer betrieblichen Altersversorgung aus Unternehmenssicht meist die größte Bedeutung zu. Bei kleineren Unternehmen erleichtern einfache Versorgungsregelungen von vornherein die Verwaltung. Bei komplexeren Versorgungswerken lassen sich durch gezieltes Outsourcing der Administration und kostengünstige Vergabe an spezialisierte Dienstleister Prozesse optimieren und Kosten senken. Die Frage nach dem richtigen Durchführungsweg kann nur bezogen auf den Einzelfall beantwortet werden. Tendenziell ist davon auszugehen, dass sich die externen Durchführungswege (Direktversicherung, rückgedeckte Unterstützungskasse, Pensionskasse, Pensionsfonds) wegen des geringeren administrativen Aufwands eher für kleinere Unternehmen eignen, zumal dann auch die biometrischen Risiken vom Versicherer getragen werden. Die Direktzusage bietet dagegen die größtmögliche Freiheit bei der Leistungsplangestaltung und auf der Finanzierungsseite. Die zu bildenden Pensionsrückstellungen stellen zwar eine Schuldposition in der Bilanz des Arbeitgebers dar. Es handelt sich jedoch um ein extrem langfristiges Darlehen der Mitarbeiter zu feststehenden Konditionen, das eine anderweitige (häufig ungünstigere) Fremdkapitalaufnahme substituieren kann. Die Erteilung von Direktzusagen dürfte auch unter Ratinggesichtspunkten kein Problem darstellen, wenn sich das Unternehmen frühzeitig Gedanken um die Rückzahlungsmodalitäten des Darlehens macht, eine der Fristigkeit der Pensionsverpflichtungen entsprechende Vermögensanlagepolitik betreibt und die Risiken des Pensionsplans begrenzt sind. Beispielsweise lassen sich die Versorgungskosten durch unternehmenserfolgsabhängige Pläne variabilisieren. Endgehaltsabhängige Versorgungsordnungen, nach denen sich die Rente als Prozentsatz des letzten Einkommens bestimmt, beinhalten grundsätzlich höhere Kostenrisiken als Karrieredurchschnitts- oder Festbetragssysteme, da Gehaltserhöhungen in späteren Jahren ein außerordentliches Ansteigen der Versorgungskosten bewirken können. Heute bevorzugen die Unternehmen moderne beitragsorientierte Systeme, weil sie ihre Verpflichtungen auf diesem Weg besser kalkulieren können. Während bei einer Leistungszusage der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter eine bestimmte Leistung als Betriebsrente fest zusagt, sind beitragsorientierte Leistungszusagen so gestaltet, dass die Kalkulierbarkeit des Versorgungsaufwands im Vordergrund steht. Mit dem Altersvermögensgesetz wurden durch die Einführung der so genannten Beitragszusage mit Mindestleistung auch bei Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds verbesserte Möglichkeiten zu einer risikoärmeren Gestaltung geschaffen. Hier liegt der Vorteil für den Arbeitgeber darin, dass er das Vermögensanlagerisiko nur bis zur zugesagten Mindestleistung tragen muss.

Eine wichtige Rolle bei der Ausweitung der freiwilligen Zusatzvorsorge kommt auch der Politik zu. Nach vielen Gesetzesänderungen wäre jetzt ein wenig „Ruhe an der Front“ wünschenswert, damit sich die Beteiligten auf die Änderungen einstellen und sie sinnvoll umsetzen können. Über eine Fortführung der Beitragsfreiheit der Entgeltumwandlung in der Sozialversicherung über das Jahr 2008 hinaus sollte der Gesetzgeber allerdings nochmals nachdenken.